Mittwoch, 29. August 2007

Von Pingyao nach Xi'an

27.8.: Nun, wir sind am Morgen aus dem Zug gefallen und konnten erst nach einer staerkenden Instant-Suppe in unserem Hostal in Pingyao mit dem Fahrrad zum Shualin Si fahren, einem Buddha-Tempel, dessen Besonderheit ist, dass er ueber tausend Buddhastatuen in verschiedenen Hallen enthaelt. Das Gelaende ist sehr weitlaeufig, einige Moenche waren zugegen und einige zeremonielle Gegendstaende (Gebetsbuecher) liessen sich aus der Naehe betrachten. Der Tempel ist ein ruhiger Ort, wie uebrigens Pingyao im Ganzen, da sein Zentrum (Weltkulturerbe) verkehrsberuhigt ist. Nach dem Tempelbesuch fuhren wir mit unseren Fahrraedern ausgedehnten Maisfeldern entlang und zu einer Stelle, an der der Loessboden abgebaut wird. Wir assen anschliessend in Pingyao, wo wir bei der Zubereitung des Essens zusehen konnten und mit einem jungen Chinesen ins Gespraech kamen, der der KP angehoert.

Am 28.8. besichtigten wir den Stadtturm von Pingyao. Die meisten chinesischen Staedte sind nach demselben Prinzip (des Feng Shui) angelegt: Zwei grosse Strassen (Nord-Sued-Achse und West-Ost-Achse) kreuzen sich dort, wo man einen Glocken- bzw. Trommelturm errichtete. Wir assen gemuetlich in einem Restaurant waehrend es draussen regnete und hoerten dem Spiel einer Chinesin auf einem Saiteninstrument zu. Anlaesslich des ueblichen Fahrkartenprozedere kauften wir in einem groesseren Supermarkt ein, der u. a. eingeschweisste Huehnerfuesse, Geleedrinks mit schwebenden Fruchtstueckchen, Gewuerze, CDs anbot. Abends schliesslich fuhren wir in einem Pulk von Travellern (Individualtourismus!) nach Xi'an, der Provinzhauptstadt von Shaanxi.

Die Fahrt mit dem Nachtzug dauerte 12 Stunden. Heute, am Mittwoch, Ankunft in Xi'an, wo wir in der bisher schoensten Jugenherberge unterkamen. Fruestueck in einem schoenen Innenhof mit harmonischer Klaviermusik. Gegen Mittag fuhren wir zur Terracotta Armee, die das Grab des Kaisers Qin Shihuangdis beschuetzt; sie wurde ca. 246 v. Chr. hergestellt. Die Terracotta Armee ist beeindruckend, die darueber hinaus kommerzialisierte Umgebung eher traurig. Leider haben wir heute wieder keine Moeglichkeit, Fotos hochzuladen. Nur ein Teil der Soldaten steht in der grossen Halle, aber diese 1,80 Meter grossen Figuren sind schon eindrucksvoll. Der Rest der grossen Halle sowie die zwei beiden kleineren bieten Bruchstuecke der Krieger und Reiter. Die Komposition einiger Tonbruchstuecke mit Pferdekoepfen koennte einem Picasso-Bild entnommen sein. Recht erschoepft (hier weiter suedlicher ist es wieder waermer) fuhren wir zurueck nach Xi'an, verfolgten einen kulinarischen Tipp unseres Reisefuehrers: Im Laosunjia brockt man ungesaeuertes Brot in eine Schale und bekommt dann darauf seine Hammelsuppe.

Kurze Preisliste (Umrechnung 1 EUR = 10 RMB):
Innerstaedtische Busfahrt: 1 RMB
Internet: 2 RMB pro Stunde
Essen in kleinen Strassenkneipen fuer zwei Personen: 20 RMB
Unterkunft: 90-120 RMB
Nachtzug: 75-120 RMB

Fazit zur Halbzeit:
Ich bin sehr muede und nicke bei jeder Sitzgelegenheit ein. Auf der anderen Seite gibt es diese unglaublichen Wachmomente, wenn es wieder auf Tour geht. Dazwischen habe ich das Gefuehl etwas zu verpassen, weil ich kein Chinesisch verstehe/spreche. Dadurch ist die Organisation der Weiterreise immer ein Kraftakt und in den letzten beiden Stationen haben wir deswegen die Provision einer englisch sprachigen Agentur in Kauf genommen. Ausserdem kann ich nur von aussen beobachten, wie die Menschen hier leben, nicht jedoch wissen, wie sie sich dabei fuehlen. Voellig im Dunkeln tappe ich noch z. B. bei der Entschluesselung der Bedeutung von Fotografien in China. Jeder hat eine supermoderne, teure Digitalkamera, aber die Fotos, die damit gemacht werden, sind fuer mein Empfinden voellig ueberfluessig. Da ist z. B. die Terracotta-Armee, die eine riesige Halle fuellt und dann steht ein bekanntes Gesicht im Vordergrund, so dass gleichzeitig die Halle mit dem eigentlich Hoehepunkt voellig unscharf wird, bzw. am Ende auf dem Foto nicht mehr zu sehen ist... (tje)

China ist groesser dimensioniert, als man sich zunaechst vorstellt: die weiten Strecken, die man auf einer Reise zu bewaeltigen hat, erzwingen eine andere Planung. Zwar reisen wir ruhig und bequem, aber bis zu unserem Ziel Lhasa ist es noch weit und wir koennten in Zeitnot geraten. China ist uns gegenueber ein offenes Land (mit Ausnahme Tibet, glaubt man den Schilderungen ueber die dortigen Restriktionen); die ueblichen Unnahbarkeiten gegenueber Touristen und die offizellen (ideologischen) Repraesentationen (etwa die perfekte Organisation) gehoeren der Oberflaechlichkeit an, die jene Offenheit auch mit sich bringt. Im Grunde genommen gibt es keinen Zwiespalt zwischen Tradition und Moderne, da beides synthetisiert wird, was wir aber leider meist nur in Form von Kuriositaeten wahrnehmen (Hochhaeuser mit traditionellem Hutongdach). Mich belehrt diese Reise abermals nicht ueber das Land, das ich besuche, und an das ich wohl mehr Vorstellungen und Wuensche herantrage, sondern ueber mich selbst. Ich kann mich nicht fragen, warum mir diese Kultur so fremd ist, sondern ich sollte mich fragen, warum mir meine Kultur so vertraut ist. Es belehrt mich (vielleicht) darueber, das Essen mit Messer und Gabel anstatt mit Essstaebchen kurios zu finden. (my)

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