Dienstag, 4. September 2007

Ankunft in Lhasa

Ich wache frueh auf und sehe eine Schneelandschaft am Fenster vorbeiziehen. Wir muessen bereits Goldmud passiert haben und fahren jetzt auf hoeheren Paessen der Provinzgrenze Tibets entgegen. Eine jedem Neuankoemmling entrueckt erscheinende Landschaft: Weite braune Hochebenen, gruene, gefaltete Berge und im Hintergrund hohe Schneeberge, deren Spitzen in der Sonne reflektieren. Waehrend der ganzen Fahrt erscheinen grosse Schafs- und Yakherden und vereinzelt eine tibetische Antilope oder ein Hase. Am Nachmittag passieren wir einen grossen, ruhigen See, der mit seinem gruen-blauen Wasser und den darueber ziehenden Wildenten uns fuer den Augenblick noch mehr als der Baikalsee beeindruckt.

Lhasa ist der Hoehepunkt unserer Reise. Auch wenn die warmen Yaksachen schon westlichen Outdoorequipment gewichen sind, ist es noch keineswegs touristisch. Es ist schwierig die richtigen Worte dafuer zu finden, aber ich beschreibe es mal so: Die Tibeter tragen ihrer Lebensart entsprechende Kleidung. Der Moench, der Bauer, die Pilgerin, das Schulkind - sie tragen, im Gegensatz zur westlichen Kleidung der Chinesen, ihre roten Umhaenge, ihren gelben Strohhut, ihre graue Gebetsschuertze bzw. ihr "Pioniertuch". Die Farbenpracht auf der Strasse wird begleitet von Pfeifen, Gloeckchenklingeln, Gebetsgemurmel und Liedersingen. Die Stadt schmeckt schon etwas schaerfer und abends wird es sehr schnell kalt.

Was hast du im Ramoche beim Gebet der Moenche empfunden?
Ein tibetischer Tempel ist unglaublich angefuellt von kleinen und grossen Dingen. Man sieht nur bunte Farben ueberall, es ist gemuetlich, das tiefe Brummen der Moenche waermt, das Laecheln des sich trotz Gebet umdrehenden Moenchs ist herzlich. Der intensive Geruch der Butterkerzen und der Raeucherstaebchen verdichtet die Luft. Das Gesicht eines buddhistischen Gottes kann einen manchmal erschrecken und nie bereift man den Kitsch und wie er religioese Gefuehle hervorrufen kann.

Was denkst du beim Anblick der betenden und sich auf den Boden werfenden Pilger?
Ja, das ist schwierig, weil ich im gewissen Sinne eine (muehsame?) Oberflaeche des religioesen Rituals sehe und nichts vom Glauben und dessen affektiven Inhalt etc. weiss. Das Hinwerfen auf den Boden, die Gebetsmuehlen, deren leierhafter Charakter ja sprichwoertlich ist - dies und mehr scheint mir sehr anstrengend und ist vielleicht ein Signum der religioesen Festigkeit. Aber ich kann es nur vermuten. Der Buddhismus (in der Form, wie ich ihn hier noch einmal anders kennenlerne) scheint mir eine Fetischreligion zu sein. Das ist keine Wertung, aber es ist auffaellig, welche (rituelle) Bedeutung so viele (kleine) Gegenstaende und Gesten anscheinend haben. Und muehelos werden auch "moderne" Gegenstaende wie Autoglasscheiben und Flaschenverschluesse (sie werden als Opfergabe an den heiligen Felsen gestellt) integriert. Es haengt augenscheinlich viel vom rituellen Handeln und dem Geben von Opfern ab. Im Ramoche war das eigentlich Spannende am gemeinschaftlichen Gebet, dass die Moenche, kurz nachdem sie ihre gelben Muetzen angezogen hatten, diese mit allen anderen Gebetskleidern abwarfen und schnell dem Ausgang zustroemten.

Welche Erwartungen hattest du an Tibet und welche hast du an den Everest?
Nachdem China mich enttaeuscht hatte, weil man sich aus verschiedenen Gruenden nicht so frei bewegen und entdecken konnte, und die neue Eisenbahnverbindung nach Tibet einen wachsenden Tourismus versprach, hatte ich auch meine Erwartungen an Lhasa zurueckgenommen. Allerdings hat die Tatsache, dass man fuer jede groessere Unternehmung hier ein Permit braucht, das Land wieder mystifiziert. Ich war also im Unklaren, was ich zu sehen bekomme(n darf) und konnte daher nur ueberrascht werden. Von Massentourismus kann noch keine Rede sein und es ist nicht der "sanfte" Tourismus der Traveller, der das Stadtbild zerstoert, sondern vielmehr die massive Praesenz der Chinesen.
Den Everest kann mir gar nicht vorstellen und im Moment steht die Besorgnis um die Gesundheit im Vordergrund (Hoehenkrankheit mangels Sauerstoff). Aber unser Guide spricht sehr gut Englisch und ist erfahren bei der Begleitung von Touren zum Basislager. Vielleicht schiebe ich die Besorgnis auch vor, um keine Enttaeuschung zu erleben, falls das Wetter nicht mitspielt und womoglich nichts zu sehen ist. Definitiv wird es etwas sein, was ich noch nie erlebt habe. Ich bin sehr aufgeregt.

Myron, du hast schon mehrere Reisen dieser Art in Asien unternommen. Hat dich auf dieser Reise etwas voellig ueberrascht?
Noch nicht, aber es gab schon eindrucksvolle Momente, die neu waren und mit den ebenfalls beeindruckenden Erlebnissen meiner letzten Reisen nicht vergleichbar sind (Mauer, Datong, Potala und Ramoche). Nun, China ist bisher die am wenigsten anstrengende Reise, obwohl ich befuerchte, dass ich am Everest Probleme bekomme (ich habe Husten und leichtes Fieber seit Xi'an). Von den Menschen her gab es wenige neue Erfahrungen; alles in allem sind sie weniger aufdringlich aber auch weniger einladend - ich wuerde fast sagen, dass sich auch hier in China das knallig Bunte Asiens auf seine Weise ebenso geltend macht wie in Indien etc. Aber das ist selbstverstaendlich eine Generalisierung. In Manchem gibt es grosse Unterschiede (auch in einem einzigen Land), doch auf der Oberflaeche gibt es viele Gemeinsamkeiten, das, was man vielleicht asian flavor nennen koennte... Ich mag das Laute und Bunte in gewisser Weise, obwohl es viel Hingabe und Gelassenheit erfordert. Hier in Lhasa gefaellt mir, dass ich in gewisser Weise das Gefuehl wiederholen kann, das ich einmal in Nepal hatte, aber es laesst sich schwer beschreiben... Mittlerweile fuehle ich mich in den asiatischen Laendern auch irgendwie wie Zuhause - mit dem Luxus, mir mein Zuhause aussuchen zu koennen...

Unsere Tour zum ME Basiscamp wir 5 Tage dauern und wir werden erst danach wieder schreiben koennen.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Echt schön, dass man so ein bisschen mitreisen darf. Tolle Fotos- sehr schön. Die Fischsuppe sieht echt lecker aus. Ich mach mir grad Hühnchen mit Salbei und Honig. Also dann! Werd ich mal meinen äußeren Chick von Innen stärken :)